Nokia Lumia 800
(22.11.2011 00:00 CET)
Nokia … der ehemalige Platzhirsch bei Mobiltelefonen hat immer noch einen großen Namen, auch wenn das Fell schon ein wenig abgeschürft ist. Symbian ist nicht mehr das System der Wahl, und mit der Fokussierung auf Windows Phone 7 als Betriebssystem wurde ein Schritt gegangen, der für eine Erschütterung des Marktes gesorgt hat. Knapp einen Monat nach der offiziellen Ankündigung des Lumia 800 ist dieses nun bei der Deutschen Telekom verfügbar.
Das Äußere hebt das Gerät schon mal deutlich von der Konkurrenz ab. Sehr stark an das Nokia N9 angelehnt hat es eine auffällige abgerundete Gehäuseform mit einer durchgehenden, leicht abgerundeten Gorilla-Glas-Scheibe. Das Gehäuse ist aus Polycarbonat gefertigt, nicht aus Metall, wie in den ersten Berichten angegeben wurde. Wer jetzt enttäuscht ist, sollte das Lumia 800 einmal in die Hand nehmen. Polycarbonat ist ein Hightech-Werkstoff, der deutlich wertiger wirkt als normales Plastik. Das Gehäuse ist aus einem Block gefräst und damit absolut hochwertig. Hinzu kommt, dass der Kunststoff zum einen deutlich leichter als Metall ist, zum anderen auch deutlich bessere Durchlasseigenschaften für die Funkwellen hat. Der Effekt ist deutlich spürbar: In Bereichen, in denen bisher alle Mobiltelefone (aktuell das HTC Radar, das HTC Evo 3D und das iPhone 4S) keinen Empfang mehr haben, ist das Lumia 800 erreichbar und bietet sogar im Gespräch noch gute, ungestörte Qualität.
Aktuell wird das Lumia 800 nur in Schwarz angeboten, was mit der schwarzen Gorilla-Glasfront ein ganz klein wenig böse aussieht… wenn man dazu noch einkalkuliert, dass im Standard grau als Akzentfarbe eingestellt ist. Blau und Rosa, die beiden anderen Farben des Gehäuses, sollen auf dem freien Markt später kommen.
Da der Akku fest verbaut ist, befinden sich keine Aussparungen oder Rillen im Gehäuse, es ist tatsächlich aus einem Guss. Um die SIM-Karte unterzubekommen und das Gerät laden zu können, hat sich Nokia eine pfiffige Mechanik einfallen lassen. Zwei kleine Erhebungen und eine kleine Rille kennzeichnen die Ansatzpunkte: Drückt man die eine, dann öffnet sich eine Klappe, hinter der sich die micro-USB-Buchse verbirgt. Zieht man dann an der kleinen Rille in Richtung des Steckers, dann öffnet sich eine Schublade, in die die micro-SIM-Karte eingelegt werden kann. Richtig gelesen: Das Lumia 800 ist das erste Windows Phone, das eine micro-SIM-Karte verwendet!
So pfiffig und für den Gesamteindruck stimmig diese Lösung ist, einen Nachteil hat sie: Die beim Laden des Gerätes offen stehende, starre Klappe droht, schnell abzubrechen, und dann ist der Gesamteindruck dahin. Da zeigt sich: Design und Funktionalität sind nicht so leicht zueinander zu bringen.
Der Power-Knopf ist – ein wenig unüblich – zwischen den Lautstärketasten und der Kamerataste angeordnet, das führt am Anfang zu ein wenig Unsicherheit, wenn man das Gerät „blind“ einschalten möchte. Alles in allem aber ist das Lumia 800 ein schlichtes, aber trotzdem – vielleicht auch gerade deswegen – auffälliges Gerät, das gut in der Hand liegt und angenehm schwer, aber nicht sperrig ist.
Das 3.7 Zoll-AMOLED-Display ist ohne Frage ein weiteres Highlight des Geräts. Wer das Samsung Omnia 7 schon einmal in der Hand hatte, der wird einen Eindruck von AMOLED gewonnen haben. Nur kann dieser dem Lumia 800 nicht das Wasser reichen! Knackige Farben, echtes Schwarz, hoher Kontrast und dazu noch sonnenlichttauglich, was will man mehr? Auflösung vielleicht, denn die ist mit 800*480 im Standard der Windows Phones, aber nicht mehr am oberen Ende dessen, was möglich ist. Qualitativ aber gibt es nichts, aber auch gar nichts zu meckern.
Der 1450mAh-Akku des Lumia 800 reicht bei normaler Benutzung gut über den Tag, allerdings sollte man dann auch eine Lademöglichkeit suchen, um nicht am nächsten Tag ohne Strom dazustehen. Leicht überdurchschnittlich, aber nicht überragend.
Nokia und Microsoft hatten im Vorfeld einiges an Aufregung gesorgt, als man die „Anpassbarkeit“ des Systems angekündigt hatte. Während alle anderen Hersteller sich mit dem festen Metro-Design anfreunden müssen (oder dürfen) sollte Nokia deutlich mehr Freiheiten haben. Das ist beim Lumia 800 keineswegs zu spüren. Und fast möchte man dazu „Schade“ sagen… Am Ende unterscheidet sich das Gerät nur durch drei zusätzliche Programme, die von Nokia kommen, vom Rest der Telekom Windows Phones: Nokia Karten (eine aufgewertete Version von Bing Maps), Nokia Navigation (eine Offboard-Navigations-App) und Nokia-Musik (als Social Hub für Kauf, Abspielen von Musik und Veranstaltungshinweise in der Nähe.
Ein echter Mehrwert für den Ottonormalbenutzer ist hier sicherlich Nokia Navigation („Nokia Drive“), das ein vollwertiges Navigationssystem darstellt… allerdings liegen die Karten nicht auf dem Gerät, sondern im Internet und müssen situativ geladen werden. Das ist im Heimatland sicherlich kein Problem, denn ohne Datenflatrate macht ein Windows Phone nur die Hälfte an Spaß. Im Ausland aber ist das Programm kaum sinnbringend nutzbar.
Ich bin hin- und hergerissen: Windows Phone an sich ist rund und stimmig, und damit ist es eigentlich nicht nötig, dass Hersteller es anpassen. Auf der anderen Seite hätte ich durchaus erwartet, dass Nokia dem System einen deutlich stärkeren Stempel aufdrückt, um sich vom Rest der Windows Phones zu unterscheiden. Das ist nicht geschehen, und das mag unter anderem auch ein Problem der Zeit gewesen sein: Das Lumia 800 sollte in den wichtigsten Märkten in jedem Fall vor Weihnachten noch auf den Markt, und das ist gelungen. Für ein erstes Gerät läuft es erstaunlich rund, insofern ist die Trauer eher eingeschränkt.
Was definitiv noch enttäuscht, ist die Qualität der Kamera. „8 Megapixel mit Carl Zeiss-Optik“ klingt wie die Erfüllung eines Traumes: Wer Nokia kennt und die Qualität der Kameras in den „normalen“ Geräten, der erwartet viel… und wird tendenziell eher enttäuscht. Für ein Windows Phone ist die Qualität durchaus gut, aber eben nicht so überragend, wie man es erwartet hätte. Nokia hat hier in einem Twitter-Dialog angekündigt, dass man ein Update vorbereite, was die Bildqualität verbessern soll. Hier ist Optimierungsbedarf, der aber offensichtlich bereits erkannt wurde.
Was nervt – aber weniger Nokia als der Telekom anzukreiden ist – ist einmal mehr die unterbundene Autokonfiguration des Gerätes. Normalerweise werden die APNs für Web und MMS beim Einlegen der SIM-Karte automatisch eingestellt. Die Netzbetreiber können dies aber unterbinden, und einmal mehr hat die Telekom dies beim Lumia 800 getan. Das führt dazu, dass man zwar die SIM-Karte eines beliebigen Betreibers einlegen und nutzen kann, wenn man den Web-APN manuell einträgt. Für den MMS-APN aber geht dies nicht, und in der Konsequenz bedeutet dies, dass man mit einer anderen als einer Telekom-Karte keine MMS senden bzw. empfangen kann. Unnötig und ärgerlich.
Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern nutzt Nokia auch nicht die Möglichkeit eines eigenen Marketplace-Bereiches, in dem beispielsweise HTC mit dem Programm „Verbi.-Setup“ ein Programm bereitstellt, dass die Autokonfiguration durchführt.
Preis:
EUR 479,- als Open Market-Version hier
Fazit:
In der Summe ist das Nokia Lumia 800 ein hervorragendes Gerät… und doch kann es die in es gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Das ist das klassische Problem, wenn diese Erwartungen so in den Himmel schießen. Im Vergleich zu den anderen auf dem Markt befindlichen Windows Phones vereint das Lumia 800 Design und Funktionalität in einer Art miteinander, die ihresgleichen sucht. In sofern: Klare Kaufempfehlung.
Wer ein mehr Nokia-spezifisches Gerät sucht, sollte gegebenenfalls noch abwarten, ob dies bei den im kommenden Jahr erwarteten Modellen anders wird.
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